Der Ortler Nationalpark gilt unter Skibergsteigern als eines der schönsten, aber auch anspruchsvollsten Skitourenareale der Alpen. Dieses Gebiet wählte der Leiter der Skitourengruppe des Skiclubs Vilsbiburg, Andi Zeeh, als diesjährigen Saisonhöhepunkt. Nach den ausgiebigen Schneefällen des letzten Winters auf der Südseite des Alpenhauptkamms waren die Verhältnisse bestens und sicher wie selten.

Ausgangspunkt der mehrtägigen Tour war die Zufallshütte, die am Ende des Südtiroler Martelltals auf 2256m Seehöhe liegt. Bereits am ersten Tag stand mit der östlichen Veneziaspitze (3356m) ein echter Klassiker auf dem Programm, dessen steile und verharschte Gletscherhänge mit einem leicht ausgesetzten Gipfelgrat Kondition, Trittsicherheit und Erfahrung forderte. Nach diesem sechsstündigen Prolog zur Höhenakklimatisierung genoss jeder der 11 Protogonisten nochmal die gute Bewirtung auf der Zufallshütte bevor am darauf folgenden Tag kurz nach Tagesanbruch die eigentliche Ortlerrunde in Angriff genommen wurde.

Ziel des zweiten Tages war die Rifugio Cevedale Guido Larcher (2607m) auf der Südseite der Ortlergruppe. Nach einer kurzen Aufwärmphase führte der Weg bereits am frühen Morgen über steile Rampen des Fürkelferners hinauf bis kurz unter den Gipfel der Zufallspitze (3757m). Dort hieß es Steigeisen anlegen und Ski an den bereits 15 kg schweren Rucksack befestigen. Zu Fuß ging es weiter entlang des Gipfelgrats hinauf in Richtung Zufallspitze, die jedoch nicht überschritten wurde. Stattdessen wurde der steil abfallende Südhang am Verbindunggrat zwischen Zufallspitze und Monte Cevedale (3769m) gequert, was sich aufgrund der Höhe von ca. 3500 m, dem Gewicht des Rucksacks und einer zertretenen und sulzigen Spur als überaus mühsam erwies. Gleichwohl wurde diese Schlüsselstelle am Aufstieg zum Monte Cevedale schnell und mit der gebotenen Routine gemeistert. Der darauf folgende Ostgrat, der zum Gipfel des Monte Cevedale führt, stellte kein Problem mehr dar, so dass der Monte Cevedale am frühen Nachmittag sicher und bei bestem Wetter erreicht wurde. Leider blies am Gipfel dieses Skitourenklassikers ein heftiger Wind, der eine zügige Abfahrt zur Larcher Hütte über die endlosen Gletscherhänge des Vedretta della Mare erforderte. Sicher und bei frühlingshaften Temperaturen erreichten alle Teilnehmer die etwas einsam gelegene Larcher Hütte.

Nach einer kurzen Nacht im Bettenlager stand die nächste Etappe mit dem Ziel Pizzini Hütte (2706m) auf dem Programm. Auf dem Weg zur Pizzini Hütte musste jedoch der gewaltige Eiskoloss des Palon de la Mare (3703m) überwunden werden, der nach einem fünfstündigen Aufstieg abgekämpft erreicht wurde. Von hier eröffnete sich ein atemberaubender Blick auf die Gipfelparade der Ortlergruppe und das Amphitheater des Fornigletschers. Nach einer kurzen Gipfelrast bei schneidendem Wind wurde die Abfahrt bei zum Teil sehr schwierigen Schneeverhältnissen über die steilen Hänge des Fornigletschers hinab zur Branca Hütte (2493m) in Angriff genommen, wo nach fast siebenstündiger Gehzeit das verdiente Bier und ein Teller Spaghetti wartete. Die Branca Hütte war ein Kontrastprogramm zur einsamen Larcher Hütte. Hier treffen alle Skibergsteiger, die seit den Morgenstunden auf den umliegenden Bergen unterwegs waren, zusammen. Die von der Familie Alberti seit 80 Jahren betreute Hütte ist „der“ Anlaufpunkt für Skibergsteiger im Ortlergebiet. Entsprechend international ist das Publikum, das nicht nur aus den Alpenländern kommt, sondern auch aus den USA, Kanada und Japan. Leider war ein längerer Aufenthalt nicht möglich, weil an diesem Tag noch die 6 Kilometer entfernte und 400 Höhenmeter höher gelegene Pizzini Hütte erreicht werden musste. Nach mehr als 9 Stunden Gehzeit war jeder Teilnehmer heil froh als man am Spätnachmittag an der Pizzini Hütte ankam und die Ski im Skikeller deponieren konnte. Nach diesem Kraftakt belohnte die Hütte mit warmer Dusche, klassischer italienischer Küche und einem Bier. Kurz nach dem Abendessen stellte sich jedoch eine gewisse Nervosität ein. Denn die Königsetappe mit der berühmten Königsspitze (3859m) rückte in den Fokus. Die Pyramide der Königspitze ist eigentlich kein Skitourenberg, weil nur wenige Skibergsteiger in der Lage sind, vom Gipfel über die 45° steile Südostflanke sturzfrei abzufahren, an deren Ende entweder die Ostrinne der Ostwand oder die kurze 50° steile Rinne vom Königsjoch hinab zum Skidepot wartet. Aufgrund der Schneesituation wurde am Vorabend dieser Königsetappe beschlossen, die Ski am Einstieg zur Rinne hinauf zum Königsjoch zu deponieren und die 650 Höhenmeter zum Gipfel der Königspitze zu Fuß zu bewältigen.

Im Morgengrauen des nächsten Tages ging es schließlich los. Die anfängliche Nervosität war nach dem steilen Aufstieg zur Einstiegsrinne schnell überwunden. Bereits beim Einstieg in die Rinne zum Königsjoch wurde jedoch klar, dass die Verhältnisse aufgrund der warmen Temperaturen alles andere als ideal waren. Am Königsjoch angekommen, öffnete sich der Blick auf die Südostflanke der Königspitze mit ihren gewaltigen und Respekt einflößenden Dimensionen. Nach einer kurzen Querung zeigte sich jedoch schnell, dass eine Begehung dieser Südostflanke aufgrund der starken Sonneneinstrahlung und einer Eisschicht unter der sulzigen Schneeauflage im Laufe des Abstiegs gefährlich werden könnte. Erst im Sommer 2013 wurde eine solche Situation 6 Bergsteigern zum Verhängnis, die mit der abrutschenden Sulzschneeschicht in die Ostwand stürzten und dabei ums Leben kamen. In Anbetracht dieser Gefahr wurde die Besteigung der Königsspitze schließlich abgebrochen. Es folgte der kurze aber knackige Abstieg über die Einstiegsrinne zum Skidepot und die anschließende Abfahrt in einen Talkessel, von dem aus der steile und nicht ganz ungefährliche Aufstieg zur Casati Hütte (3254m) mit seinen 500 Höhenmetern angegangen wurde. Die eine oder andere knifflige Situation am Südwestgrat hinauf zum Passo del Cevedale, wo die Casati Hütte wie eine Festung thront, war schnell vergessen als jeder wohlbehalten, aber abgekämpft die Casati Hütte erreichte, von der man bei besten Schneeverhältnissen über die angenehmen und schier endlosen Hänge des Langenferners zurück zur Zufallshütte abfuhr.

Damit schloss sich diese Skitourenrunde der Superlative mit ihren gut 5600 Höhenmetern in 4 Tagen. Entsprechend groß war die Freude jedes Teilnehmers über den Erfolg, der bei einem kräftigen Schluck Bier auf der Sonnenterrasse der Zufallshütte mit Blick zurück auf die Eisriesen der Ortlergruppe angemessen gefeiert wurde.

 

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